Spezielle Hintergründe

Zum besseren Verständnis werden hier noch ein paar neurophysiologische und neurofunktionelle Aspekte erläutert.

Nervenfunktion

Drei Aspekte der Nervenfunktion gilt es bei der Rehabilitation der Nervenfunktion zu berücksichtigen:

1. Funktionelle Konnektivität

Die funktionelle Konnektivität ist die Fähigkeit des Nervensystems eine stabile Verbindung zu einem Gewebe aufzubauen und abzubauen. Ähnlich wie beim Telefonieren ist eine stabile Verbindung die Voraussetzung für eine gute Informationsübertragung. Die Verbindung entsteht durch eine elektrische Kopplung der Zellen. Dieser Vorgang erfolgt vermutlich über das perineurale Gewebe und wird auch Kohärenz genannt.

Kommunikation zwischen Hirn und Körperzelle

Er ist unabhängig vom Inhalt. Dies gilt nicht nur für die Verbindung zwischen Nervengewebe und Körpergewebe, sondern auch für das Nervengewebe untereinander. Die meisten Funktionen erfordern den Zusammenschluss mehrerer Teile des Nervensystems zu einem Netzwerk. Für die Behandlung der funktionellen Konnektivität wird die Technik der Neurofunktionellen Integration genutzt. Die neurofunktionelle Untersuchung zeigt die der Symptomatik zugrunde liegende Störung der funktionellen Konnektivität auf, die Integration unterstützt den Körper dabei die Störung zu beheben.

2. Informationsübertragung

Wenn eine Verbindung zwischen Nervensystem und Köpergewebe oder auch zwischen verschiedenen Teilen des Nervensystems aufgebaut werden konnte, kann Information übertragen werden. Der größte Teil der Information liegt außerhalb unseres Bewusstseins und läuft, bei normaler, störungsfreier Übertragung, automatisch ab. Für eine gezielte Veränderung der übertragenen Informationen kommen vor allem bewusste Prozesse wie Bewegung, Verhalten, Bewertung, Einstellung etc. in Frage.

3. Neuroplastizität

Das Nervensystem ist kein fest verkabeltes System. Sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem unterliegen strukturellen Veränderungen, die davon abhängen, wie das Nervensystem beansprucht wird oder beansprucht erden kann. Ein durch Neurofunktionelle Integration verbesserte Vernetzung heißt noch nicht, dass sofort eine optimale Verkabelung vorliegt. Viele plastische Veränderungen ergeben sich durch die Teilnahme am Alltag wenn diese möglich ist. Einige verloren gegangene Funktionen müssen aber durch körperliche oder mentale Übung zurückerobert werden. Neuroplastizität ist auch die Grundlage neue Dinge zu erlernen.

Regulation

Die Steuerung der Körperfunktionen erfolgt hierarchisch organisiert über mindestens drei Ebenen:

  • Lokale und schnelle Regulation der peripheren Gewebe durch Reflexe im afferenten Neuron und im Rückenmark.
  • Koordination der verschiedenen Körperfunktionen und Modulation der peripheren Reflexe im Hirnstamm und Zwischenhirn.
  • Integration und Anpassung der Körperfunktionen und des Verhaltens an die Prozesse der Umwelt in den höheren Zentren des zentralen Nervensystems.

Je höher die Ebene, desto komplexer die Vernetzung der unterschiedlichsten Informationen. Letztlich gilt es bei der Diagnostik die Ebene zu finden, über die eine Veränderung der Regulation möglich ist.

Leitungsbahnen

Gute Kenntnisse über den Verlauf von Nervenbahnen und insbesondere die Umschaltstationen von afferenten und efferenten Signalen sind eine Grundvoraussetzung für das Verständnis und die Anwendung der Neurofunktionellen Integration. Die Umschaltstationen in den prävertebralen Ganglien und im Rückenmark bieten Angriffspunkte die Nervenfunktion durch gezielte Reize in verschiedenen Körpergeweben und –regionen in der Peripherie zu beeinflussen. Die lokale Regulation der Köperfunktion erfolgt schon durch Ausschüttung von Peptiden durch afferente Neuronen. Das ist der einfachste lokale Reflex vermutlich auf eine pathologische Störung zum Schutz vom Gewebe. Die nächsten Ebenen der Reflexe und damit der Regulation erfolgt auf Ebene der prävertebralen Ganglien und des Rückenmarks. Zur Integration der lokalen Regulation werden die Signale über bestimmte Leitungsbahnen zum Gehirn geschickt. Hier werden die Informationen der unterschiedlichen Körpersysteme mit Information aus der Umwelt abgestimmt. Die efferente Antwort des Gehirns wird wiederum über bestimmte Leitungsbahnen in die Peripherie geschickt. Es gibt deutlich mehr afferente Bahnen als efferente. 

Zentrale Integration

Die zentrale Integration umfasst sowohl sensorische als auch motorische Informationen.

  1. Integration sensorischer Information: Propriozeption, Interozeption und Exterozeption
  2. Integration motorischer Information: Soamtomotorik und Viszeromotorik

Die Zentrale Integration erfolgt je nach Ursprung der Signale in verschiedenen Bereichen des Gehirns. Informationen über Lage und Bewegung des Köpers sowie Informationen aus dem Tastsinn (Propriozeption) werden im Stammhirn, Thalamus und letztlich im somatosensorischen Cortex zu einer dreidimensionalen Karte zusammengefügt anhand derer Bewegungsabläufe geplant und ausgeführt werden. Informationen aus dem Inneren des Körpers (Interozeption) über physiologische Parameter wie verfügbare Energie, Temperatur, Sauerstoffgehalt im Blut etc. werden im Hirnstamm und der hinteren Insula zu einem Gesamtbild des aktuellen Zustands integriert aus dem sich Änderungen der biochemischen Regulation (Hirnstamm) und des Verhaltens wie Nahrungsaufnahme, Schlaf etc. ergeben (Insula). Diese Information über den Ist-Zustand des Körpers wird ergänzt durch visuelle, akustische und chemische (Geruch) Informationen aus der Umwelt (Exterozeption). Aus dem Gesamtpaket der Informationen generiert das Gehirn ein Verhalten (Somatomotorik) und die entsprechende Regulation der Organe (Viszeromotorik).

Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass das Gehirn nicht in jedem Bruchteil einer Sekunde alle Informationen aktualisiert sondern aus all den über Jahre gewonnenen Erfahrungen die bestmögliche Vorhersage trifft, also das Resultat motorischer und sensorischer Ereignisse vorweg nimmt und nur Abweichungen dieser Vorhersagen bearbeitet. Nur so kann das Gehirn in der bekannten Geschwindigkeit auf Veränderungen der Umweltparameter reagieren. Somit ist der Cortex des Gehirns weniger eine hochauflösende Abbildung (Rekonstruktion) aktueller innerer und äußerer Umstände sondern vielmehr ein System welches mögliche Ausgänge einer Handlung generiert (Konstruktion). Das erklärt warum zum Beispiel die Leitung vom visuellen Cortex zum Thalamus stärker ist als die Leitung vom Thalamus zum visuellen Cortex. 

Zusammenfassung

Ob man tatsächlich krank ist oder sich krank fühlt, ob die Beschwerden eine psychische oder physische Ursache haben spielt bei der Diagnostik und Behandlung mit  Neurofunktioneller Integration eine untergeordnete Rolle. Allen diesen möglichen Aspekten liegt möglicherweise eine gestörte Funktion des Nervensystems zu Grunde. Alle sensorischen und motorischen Systeme, ob zentral oder peripher, finden eine Berücksichtigung.

Neurofunktionelle Integration bietet damit eine diagnostische und therapeutische Möglichkeit Ursachen für Beschwerden zu finden und zu behandeln welche sich der konventionellen bildgebenden Diagnostik und den Laboruntersuchungen entziehen und dadurch oft fälschlicherweise als psychosomatische Störung abgestempelt werden.

Die Behandlung ist äußerst schonend und nicht invasiv. Alle Altersgruppen, vom Säugling bis zum Betagten können mit Neurofunktioneller Integration behandelt werden.

Neurofunktionelle Integration – werden Sie Teil des Fortschritts